Verl, den 12. Januar 2020
„Man erkennt den Irrtum daran, dass alle Welt ihn teilt.“ (Jean Giraudoux, 1882-1944, französischer Schriftsteller und Diplomat)
Liebe Parteifreundinnen und Parteifreunde,
zunächst einmal wünsche ich Ihnen und Ihren Familien ein erfolgreiches, gutes und vor allem doch gesundes Neues Jahr 2020.
Der Jahreswechsel bietet immer Gelegenheit für Rückblick und Ausblick zugleich. Dabei denke ich wesentlich an die Ergebnisse der Freien Demokraten bei den zurückliegenden Wahlen. Die Landtagswahlen in Ostdeutschland hätten für unsere Partei etwas erfolgreicher ausgehen können. Immerhin haben wir den Einzug in den thüringischen Landtag so gerade geschafft. Leider konnten wir die Position der politischen Mitte nicht klar genug als wirkliche Alternative für Deutschland herausarbeiten. Am Ende siegte in der Argumentation die Polarisierung für die eine oder andere Seite und nicht der demokratische Kompromiss.
Ganz ähnlich habe ich selbst den Europawahlkampf erlebt. Als Spitzenkandidat für die OWL-FDP habe ich an vielen Podiumsdiskussionen im Bezirk teilgenommen. Dabei überwog auf den meisten Veranstaltungen ein einfaches Pro- oder Contra- bzw. Schwarz- oder Weißschema. Oft genug verkürzte sich die Argumentation auf ein „bist-Du-für-oder-gegen-Europa“. Die politische Position des Liberalismus zeichnet sich aber durch einen gesunden Skeptizismus aus. Einer bloßen „Gut-oder-böse-Politik“ ist zu misstrauen. Der von mir oben zitierte französische Germanist Jean Giraudoux bringt es mit seinem Aphorismus auf den Punkt: Nur weil eine Position von „aller Welt“ herausposaunt wird, muss sie nicht zwangsläufig wahr sein.
Als Liberale sollten wir stets Gewohnheiten hinterfragen und ebenso bewährte Positionen weiterentwickeln. Das gilt vor allem für eine zukunftsorientierte Europapolitik, aber auch für eine am Bürger orientierte Kommunalpolitik.
Damit wären wir beim Ausblick auf das kommende Jahr 2020. Den politischen Höhepunkt erwarten wir im Herbst bei den Kommunalwahlen.
Die Haushaltsverhandlungen im letzten Dezember und die sich daran anschließende Verabschiedung des Haushalts läuteten schon den Beginn des Kommunalwahlkampfes ein. Als Fraktion haben wir sehr um die Zustimmung des Haushaltes gerungen. Aber einer Ablehnung um der Ablehnung willen, wie es bei des Sozialdemokraten den Anschein hatte, wollten wir dann doch nicht das Wort reden. Unsere Anträge zum europäischen Interrailticket für Jugendliche und die Berücksichtigung einer möglichen „Kulturhalle“ im neuen Schulzentrum fanden breite Zustimmung. Unser Antrag zur moderaten Gewerbesteuersenkung wurde bedauerlicherweise nicht berücksichtigt. Insgesamt fand sich aber in den Haushaltsverhandlungen ein großer Konsens innerhalb des politischen Mitte-Rechts-Lagers. Wahlgeschenke der Sozialdemokraten, die die Eigeninitiative und die Selbstverantwortung der Mitbürgerinnen und Mitbürger außer Acht lassen, lehnen wir ebenso ab wie eine Klimahysterie der Grünen, die dem Klimaprimat sogar den demokratischen Diskurs des Kompromisses opfern wollen. Auch in der Klimadebatte gibt es kein einfaches Richtig-oder-Falsch. Der technische Fortschritt des 21. Jahrhunderts, der wesentlich Digitalisierung bedeutet, ist ebenso dialektisch zu denken wie die gesamte Fortschrittsbewegung seit der Aufklärung im 18. Jahrhundert. Soll heißen: Der Stromverbrauch der digitalen Welt steigt jährlich um neun Prozent, was letztlich das Klima schädigt, aber ohne fortschreitende Digitalisierung und damit Optimierung bzw. Reduzierung des Energieverbrauchs wird es keine „Rettung“ geben. Diese Dialektik des Fortschritts heißt immer wieder, „Wahrheiten als Irrtümer zu entlarven“ und ergebnisoffen zu forschen und zu denken.
Mit dieser „Grundhaltung“ werden wir die politischen Herausforderungen des neuen Jahres angehen. Ich würde mich freuen, wenn möglichst viele Mitglieder sich in den Kommunalwahlkampf einbringen würden. Das kann die Besetzung eines Wahlbezirks für unsere Partei sein oder auch ein Engagement in kommenden Wahlkampf. Wenn wir die liberale Stimme hörbar machen, werden uns viele Verler folgen, die zwar einen Wechsel wollen, aber keine Experimente, die die positive Entwicklung der Kommune verspielen.
In diesem Sinne wünsche ich allen einen guten Start ins Neue Jahr.
Mit freiheitlichen Grüßen bin ich herzlich Ihr Stadtverbandsvorsitzender und Ratsherr
Dr. Ulrich Klotz